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Dachlawinen, Schneefanggitter, Verkehrssicherungspflicht

Folgende Fragen werden beantwortet: Wie muss das Dach gesichert werden werden? Konsequenzen bei Verstoß gegen die Pflichten? Sind Schäden aus einer Schneelawine vom Dach seines Hauses einem Hauseigentümer im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB zuzurechnen, obwohl er Vorsichtsmaßnahmen getroffen hatte?

Aus einem Urteil des AG Brilon 2 C 72/10 vom 9.2.2011:

Unabhängig davon, ob eine Eis- und Schneelawine vom Dach des Hauses des Beklagten auf das Auto der Klägerin gerutscht ist und dieses beschädigt hat, sind diese Schäden nicht dem Beklagten zuzurechnen.

Der Beklagte hat seine Verkehrssicherungspflichten nicht verletzt. Zwar war das angebrachte Schneefanggitter im vorliegenden Fall unstreitig nicht hoch genug um die Schneemassen von der Fahrbahn abzuhalten… Es geht vielmehr darum, ob den Beklagten eine Verkehrssicherungspflicht zur Anbringung eines höheren Schneefanggitters oder zu anderweitigen Räumungsmaßnahmen traf. Dabei sind diejenigen Maßnahmen erforderlich, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich oder zumutbar sind. Schneefanggitter gegen Dachlawinen sind bei gesetzlichen oder polizeilichen Anordnungen erforderlich; sonst im Einzelfall nach den örtlichen Verhältnissen wie Schneehäufigkeit, örtlicher Übung, Art und Lebhaftigkeit des Verkehrs zu oder vor dem Gebäude, Bauart und nach der Zumutbarkeit von Sicherungsmaßnahmen für den Eigentümer (vgl. Palandt/Sprau, § 823, Rn. 198).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat der Beklagte durch das Anbringen eines Schneefangsystems in Form von Rundhölzern seine Verkehrssicherungspflichten voll erfüllt. Hiervon ist auszugehen, da die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt hat, dass den Beklagten eine weitergehende Verkehrssicherungspflicht traf.

Nach der gutachterlichen Stellungnahme vom 13.04.2010, deren Ausführungen insoweit unbestritten sind, ergibt sich weder aus der DIN noch aus der BauO NW eine explizite Bestimmung für die Höhe eines Schneefangsystems. Entscheidend ist nur, dass dieses ausreichend stabil ist, um der zu erwartenden Belastung durch Schnee und Eis stand zu halten. Auch, dass eine Ortssatzung eine bestimmte Höhe für Schneefangsysteme oder auch nur generell das Anbringen von Schneefangsystemen vorschreibt, wurde durch die Klägerin nicht vorgetragen.

Enthält die Ortssatzung kein solches Gebot, dann ist bei der Beurteilung der Erforderlichkeit von Schneefanggittern oder sonstigen Schutzmaßnahmen auf die örtlichen Gegebenheiten abzustellen.

Dabei ist der Klägerin zuzugestehen, dass hier besondere Umstände vorliegen, die generell Schutzmaßnahmen erforderlich machen. So befindet sich das Haus des Beklagten in einer gerichtsbekannt schneereichen Region. Bei der Neigung des Hausdachs ist überdies ein Gefahrenpotenzial für den Abgang von Schneelawinen zu erkennen, die zudem aufgrund der Lage des Gebäudes direkt an der Straße direkt auf die Straße niedergehen können. Aus diesem Grund ist die Installation von Schneefangsystemen als ortsüblich anzusehen.

Dieser Pflicht ist der Beklagte jedoch durch die Anbringung eines der DIN 1055 entsprechenden Schneefangsystems nachgekommen. Nach der gutachterlichen Stellungnahme vom 13.04.2010 entspricht die gewählte Ausführungsart voll umfänglich den Bestimmungen der DIN und ist für die Stadt Olsberg im Hochsauerlandkreis als zulässig und ortsüblich anzusehen. Soweit die Klägerin bestreitet, dass die gewählte Schneefangeinrichtung DIN-entsprechend ist, verkennt diese, dass sie dafür darlegungs- und beweispflichtig ist, dass die Ausführungsart nicht ortsüblich ist. Überdies fehlt es an substantiiertem Vortrag, warum aufgrund der Besonderheiten das Schneefanggitter nicht ausreichend hoch sein soll. (Problem des prima facie Beweises und somit der Beweislastumkehr bleibt hier m.E. offen: Anm. RA Mühlenbein) Insbesondere wird nicht dargelegt, wie hoch das Schneefanggitter hätte sein müssen oder welche sonstigen Schutzmaßnahmen hätten getroffen werden müssen.

So bestehen auch keine sonstigen erforderlichen und ortsüblichen Maßnahmen, die der Beklagte zur Verhinderung des Abgangs von Dachlawinen hätte ergreifen müssen. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass der Beklagte aufgrund der konkreten Schnee- und Gefährdungslage das Dach vom Schnee hätte befreien lassen müssen, steht dem entgegen, dass eine Pflicht zur Räumung des Hausdaches von Schnee und Eis nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen besteht, da die Maßnahme selbst mit erheblichen Gefahren verbunden ist (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 18.06.2008, 2 U 202/08, juris Rn. 6). So kann einem Hauseigentümer gerade dann, wenn es an seinem Haus keine Schneefangeinrichtungen gibt, die Pflicht obliegen, bei besonderen Wetterlagen das Dach und den darauf befindlichen Schnee, insbesondere auch überhängenden Schnee und überhängendes Eis um Auge zu behalten, um evtl. notwendige Schutzmaßnahmen, ggfs. auch durch Einschaltung von Fachleuten ergreifen zu können (vgl. ebd.). Vom Vorliegen einer solchen besonderen Gefahrensituation kann hier jedoch nach dem Vortrag der Klägerin nicht ausgegangen werden. Diese hat lediglich pauschal vorgetragen, dass aufgrund der allgemeinen Schneelage am Unfallort, der Beschaffenheit und Lage des Gebäudes des Beklagten direkt an der Straße, der Dachneigung sowie nach den konkreten Schneeverhältnissen am Unfallort und der Art des Umfangs des gefährdeten Verkehrs weitere Sicherungsmaßnamen geboten gewesen seien. Diese allgemeinen Umstände sind jedoch bereits bei der Frage der generellen Notwendigkeit von Schneefanggittern entscheidend. Warum diese Umstände über das bestehende Schneefanggitter hinaus weitere besondere Maßnahmen erforderlich machen sollten, ergibt sich aus dem klägerischen Vortrag nicht. Auch bestehen Zweifel an der Zumutbarkeit solcher zusätzlichen Maßnahmen für den Beklagten. So ergibt sich aus dem klägerischen Vortrag auch nicht, dass die Durchführung besonderer Schutzmaßnahmen in solchen Fällen im örtlichen Umfeld des Beklagten ortsüblich ist.

Mit dem Abgang der Schneelawine vom Dach hat sich ein als Restrisiko trotz
Sicherungsmaßnahmen verbleibendes allgemeines Schadensrisiko verwirklicht. Eine Verkehrssicherungspflicht, die jeden Schaden vermeiden würde, gibt es nicht und kann auch nicht verlangt werden.

(Die Auszüge aus den Entscheidungsgründen veröffentlicht hier: RA Mühlenbein)