Was passiert mit meinen Urlaubsansprüchen, wenn ich als Arbeitnehmer langfristig erkrankt bin? Können die Urlaubstage finanziell abgegolten werden?
Wer als Arbeitnehmer das ganze Jahr über arbeitsunfähig erkrankt ist, dessen voller Urlaubsanspruch entsteht für das Kalenderjahr dennoch. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Arbeitsverhältnis über die erste Jahreshälfte hinaus besteht. Auch wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt wird und mindestens über den 30.06. des Jahres hinaus besteht, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf seinen vollen Urlaub und nicht bloß einen anteiligen. Es ist für die Entstehung des vollen Urlaubsanspruchs dann auch nicht von Bedeutung, ob das Arbeitsverhältnis zum 31.07. oder erst zum 31.12. endet. Dies ergibt sich aus § 4 des Bundesurlaubsgesetzes. Wechselt der Arbeitnehmer dann in der zweiten Jahreshälfte den Arbeitgeber, stellt sich die Frage, wie es sich dort mit seinem Urlaub verhält. Denn häufig hat der Arbeitnehmer in den ersten sechs Monaten in seiner neuen Arbeitsstelle eine Urlaubssperre. Der alte Arbeitgeber hat in diesem Fall durch eine Urlaubsbescheinigung zu bestätigen, dass dem Arbeitnehmer sein voller Jahresurlaub gewährt worden ist, damit klar gestellt ist, dass für das laufende Kalenderjahr auch beim neuen Arbeitgeber keine Urlaubsansprüche mehr offen sind. Die Urlaubsbescheinigung zählt regelmäßig zu den Arbeitspapieren. Der alte Arbeitgeber hat diese bereits bei der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszustellen, auch wenn z.B. ein Kündigungsschutzverfahren noch läuft.
Was passiert aber mit dem entstandenen Urlaubsanspruch, wenn ich vielleicht sogar länger als ein Jahr krank bin und den Urlaub aufgrund meiner langfristigen Erkrankung gar nicht nehmen kann?
Nach dem Bundesurlaubsgesetz ist der Jahresurlaub grundsätzlich im jeweiligen Kalenderjahr zu nehmen. Das Gesetz sieht eine Übertragbarkeit des Urlaubs bis zum 31.03. des Folgejahres vor, wenn der Urlaub aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen nicht genommen werden konnte.
Grundsätzlich sind Urlaubsansprüche also auf das nächste Jahr übertragbar. Der Urlaub ist dann jedoch gemäß des Bundesurlaubsgesetzes also bis zum 31.03.2016 zu beantragen. Etwas anderes gilt dann, wenn der Urlaub wegen Krankheit nicht bis zum 31.03. des Folgejahres genommen werden kann. Der Urlaub ist also länger übertragbar und verfällt dann noch nicht, da Sie den Urlaub gar nicht nehmen konnten.
Wenn Sie jedoch zwischendurch arbeitsfähig sind und somit grundsätzlich Urlaub nehmen könnten, dann können Urlaubstage verfallen.
Wichtig ist auch, dass ein dauerhaft erkrankter Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seine Urlaubsansprüche nicht über Jahre ansammeln kann. Der Urlaub verfällt stattdessen zum 31. März des jeweils übernächsten Kalenderjahres (Urteil vom 07.08.2012, Az. 9 AZR 353/10).
Kann ich als Arbeitnehmer eine finanzielle Abgeltung der nicht genommenen Urlaubtage verlangen?
Solange das Arbeitsverhältnis besteht, kommt dies grundsätzlich nicht in Betracht. Es gilt insofern der Vorrang der Urlaubsgewährung in natura vor einer finanziellen Abgeltung. Wenn der Arbeitnehmer wieder gesund ist, ist er auch grundsätzlich gehalten, den Urlaub in natura zu nehmen, bevor er eine finanzielle Abgeltung verlangt. Geschieht dies nicht, können Urlaubstage verlangen, für die eine finanzielle Abgeltung dann sowieso ausscheidet.
Langwierig erkrankten Arbeitnehmern ist daher zu raten, möglichst bald nach ihrer Genesung den gesamten angesammelten Urlaub zu beantragen und notfalls einzuklagen, da sonst der Verfall droht.
Eine finanzielle Urlaubsabgeltung kommt – für nicht verfallene Urlaubstage – dann erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Wenn der Arbeitgeber also beispielsweise eine krankheitsbedingte Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer erklärt oder sich die Parteien auf einen Aufhebungsvertrag einigen.
Nach § 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes sind Urlaubstage finanziell abzugelten, wenn diese nicht mehr in natura gewährt werden können.
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss immer auch auf Ausschlussfristen aus Tarifverträgen, die in den Arbeitsvertrag einbezogen sind, oder Ausschlussfristen aus dem Arbeitsvertrag selbst geachtet werden.
Es empfiehlt sich auch, eine im Arbeitsvertrag enthaltene Ausschlussfrist durch einen Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Denn häufig erweisen sich diese als unwirksam. Dies beispielsweise dann, wenn „alle Ansprüche“ aus dem Arbeitsverhältnis umfasst sind, ohne hiervon Ansprüche auszunehmen, die auf einer Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit beruhen. Auch dürfen keine Ansprüche ausgeschlossen werden, die aus grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz resultieren.